Sehr geehrte Damen und Herren,
wir schreiben Ihnen, um Sie über aktuelle Probleme zu informieren, die durch das derzeitige Europäische Patentrecht verursacht werden. Wir sind insbesondere über Patente auf Pflanzen und Tiere und deren Auswirkungen auf Landwirte, Züchter und Verbraucher auf Innovation und die biologische Vielfalt besorgt.
Das Europäische Parlament hat 1998 der Richtlinie „Rechtlicher Schutz Biotechnologischer Erfindungen“ (Dir. 98/44 EC) zugestimmt. Diese Richtlinie wurde 1999 auch in das Regelwerk des Europäischen Patentamtes übernommen, seitdem wurden etwa 900 Patente auf Tiere und etwa 1800 Patente auf Pflanzen erteilt.
Die Erfahrung der Patentierung von Pflanzen und Tieren über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren zeigt, dass die negativen Folgen der europäischen Patentrichtlinie nicht länger übersehen werden dürfen:
- ► Innovationen werden behindert, weil es anderen Züchtern nicht erlaubt ist, mit den patentierten Pflanzen und Tieren weiter zu züchten.
- ► Patente sind der treibende Faktor hinter einer galoppierenden Marktkonzentration im Saatgutsektor, der Wettbewerb wird ausgeschaltet und kleine und mittelständische Züchter verdrängt.
- ► Die Patente führen zu höheren Preisen für Landwirte, zu weniger Auswahl für Verbraucher und zu negativen Auswirkungen auf die agrarische Vielfalt.
Klare und wirksame Verbote der Patentierung fehlen. Wie verschiedene Entscheidungen des Europäischen Patentamtes zeigen, können die bestehenden Verbote der Patentierung von Pflanzen und Tieren sehr einfach umgangen werden. Zum Beispiel können Patente auf Gene oder Züchtungsmaterial leicht auf Pflanzensorten und Tierarten ausgeweitet werden.
Wir sind sehr besorgt darüber, dass das Europäische Patentamt sogar immer mehr Patente auf die konventionelle Zucht von Pflanzen und Tieren erteilt. Dies ist eine alarmierende Entwicklung, da die konventionelle Zucht (ohne gentechnische Veränderungen) bisher als nicht patentierbar galt. In vielen Fällen erstrecken sich diese Patente auf die gesamte Kette der Lebensmittelerzeugung. Sogar nach der Entscheidung über die Patente auf Brokkoli und Tomaten (G2/07 und G1/08), dass keine Patente auf Verfahren zur konventionellen Zucht erteilt werden können, hat das Europäische Patentamt schon im Januar 2011 wieder damit begonnen, Patente auf Saatgut, Pflanzen und daraus gewonnene Lebensmittel zu erteilen. Derartige Patente befeuern den Konzentrationsprozess in der Saatgutbranche und schaffen neue Abhängigkeiten für Landwirte, Züchter und die Lebensmittelproduzenten. Es handelt sich um einen systematischen Missbrauch des Patentrechtes zur Aneignung der Grundlagen für die Lebensmittelproduktion.
Aus der Sicht der Landwirte muss auch das Recht auf die Verwendung des eigenen Saatgutes und der informelle Saatgutmarkt respektiert und in den gesetzlichen Rahmen integriert werden. Obwohl dies nicht Gegenstand dieses Briefes ist, muss doch darauf geachtet werden, dass das Sortenschutzrecht und der Europäische Saatgutkatalog entsprechend angepasst werden.
Wir fordern Sie auf, für eine Überarbeitung des Europäischen Patentrechtes einzutreten und für klare Verbote der Patentierung von Züchtungsverfahren, von Züchtungsmaterial, Pflanzen und Tieren und von Lebensmitteln, die aus diesen gewonnen werden.
Mit freundlichen Grüßen,