Durch die Hintertür: Europäisches Patentamt will Patente auf Pflanzen und Tiere ausweiten

In dieser Woche fällt wichtige Entscheidung zur Auslegung von Patentverboten

26. Juni 2017 Am Mittwoch dieser Woche treffen sich die 38 Vertragsstaaten des Europäischen Patentamts (EPA) in Den Haag, um Beschlüsse über die künftige Auslegung bestehender Patentverbote im Bereich der Pflanzen- und Tierzucht zu fassen. Das Europäische Parlament und die EU-Kommission fordern eine Begrenzung der Vergabe dieser Patente auf den Bereich Gentechnik. Laut vorliegender Beschlussvorlage will das Europäische Patentamt (EPA) in Zukunft bestimmte Patente tatsächlich nicht mehr erteilen. Gleichzeitig werden aber neue Schlupflöcher geschaffen, um die Verbote zu umgehen. Insgesamt wäre so in Zukunft eher mit einer Zunahme von Patenten im Bereich der konventionellen Züchtung zu rechnen. Nach dem Wortlaut der europäischen Patentgesetze dürfen Pflanzen und Tiere, die aus „im Wesentlichen biologischen Verfahren“, das heißt aus einer Züchtung ohne Gentechnik, stammen, nicht patentiert werden. Doch das EPA hat in der Vergangenheit auch Patente auf Pflanzen erteilt, die aus einer Kreuzung und Selektion oder aus anderen zufälligen Kombinationen von Erbgut entstanden sind. Gemäß dem Vorschlag des EPA sollen in Zukunft Patente nur dann verweigert werden, wenn Pflanzen oder Tiere unmittelbar aus einer Kreuzung und Selektion entstehen. Sobald aber bestimmte genetische Veranlagungen beansprucht werden, laufen die Verbote ins Leere. Eine klare Abgrenzung zur Gentechnik wird es dabei nicht geben: Werden Pflanzen mit bestimmten genetischen Veranlagungen patentiert, sind alle Pflanzen mit diesen Merkmalen von dem Patent betroffen, unabhängig davon, ob diese gezüchtet oder gentechnisch verändert wurden. Damit kommt das Patentamt den Wünschen der Industrie entgegen, die fordert, dass Pflanzen und Tiere immer dann als patentierbar gelten sollen, wenn deren genetische Eigenschaften im Detail beschrieben werden, unabhängig davon, wie diese Eigenschaften entstanden sind. „Das EPA will großen Saatgutkonzernen wie Monsanto und Bayer auch in Zukunft Monopolrechte an konventionellem Saatgut gewähren. Sogar Pflanzen und Tiere mit zufälligen Gen-Kombinationen sollen ausdrücklich als patentfähige Erfindungen gelten“, sagt Georg Janßen von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in Deutschland. „Damit unterläuft das EPA den breiten Konsens in Politik und Zivilgesellschaft, dass konventionelle Züchtung nicht patentierbar sein darf.“ Ein Beispiel sind Patente der Brauereikonzerne Carlsberg und Heineken. Diese erhielten 2016 zwei Patente auf Gerstenpflanzen, deren Körner zufällige Mutationen enthalten. Laut einem dritten Patent werden die beiden Gerstensorten so miteinander gekreuzt, dass deren Nachkommen eine Kombination der erwünschten Eigenschaften aufweisen. Das Patent umfasst die Gerste, den Vorgang des Bierbrauens und das mit dieser Gerste hergestellte Bier. Gegen die Patente haben zahlreiche Nichtregierungsorganisationen Einspruch eingelegt. Doch wenn der Vorschlag des Patentamts durchkommt, werden die Patente wohl nicht widerrufen werden. Und die Patentlobby hat noch einen weiteren Coup gelandet: Einzelne Zellen von Pflanzen und Tieren – so ihre Vorstellung – sollen ebenfalls generell patentierbar sein. Ein derartiges Patent würde sich dann auch auf alle Pflanzen und Tiere erstrecken, die aus diesen Zellen bestehen. „Die neuen Regelungen drohen die Initiative der EU-Kommission ins Leere laufen zu lassen. Patentanwälte und Firmen wissen ganz genau, wie sie die neuen Regeln nutzen können, um die Verbote zu umgehen“, sagt Katherine Dolan von der Arche Noah, Österreich. „Tatsächlich hat die Industrie an diesen Vorschlägen direkt mitgearbeitet.“ Werden Pflanzen und Tiere patentiert, können sie von anderen Züchtern nicht mehr oder nur noch mit Erlaubnis der Patentinhaber genutzt werden. Bisher sind alle konventionell gezüchteten Sorten für die weitere Züchtung frei verfügbar. Die Monopolpatente nutzen vorwiegend den großen Konzernen. Mittelständische Züchter kommen dagegen unter Druck und werden aus dem Markt gedrängt oder aufgekauft. Landwirte und auch die VerbraucherInnen geraten so in immer größere Abhängigkeit von Konzernen wie Bayer und Monsanto, die zusammen bereits mehr als ein Viertel des weltweiten Saatgutmarktes kontrollieren. „Die Politik muss jetzt endlich gegensteuern, damit es nicht zu einem Ausverkauf unserer Ernährungsgrundlagen kommt. Doch nach unseren Informationen ist zu befürchten, dass auch der zuständige Bundesjustizminister Heiko Maas der neuen Regelung zustimmen wird, er scheint sich der tatsächlichen Folgen gar nicht bewusst zu sein“, sagt Christoph Then vom Bündnis „Keine Patente auf Saatgut!“. „Wir fordern ein lückenloses Verbot der Patentierung konventioneller Züchtung.“ „Keine Patente auf Saatgut!“ hat in einem Eilbrief an die Regierungen der Mitgliedsstaaten konkrete Korrekturen am vorliegenden Entwurf des EPA gefordert und selbst Vorschläge dazu unterbreitet. Sollte es nicht zu substanziellen Verbesserungen kommen, wird eine Ablehnung des Vorschlags gefordert. Kontakte: Georg Janßen, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und IG-Nachbau, janssen@abl-ev.de, Tel: 04131/407757 Katherine Dolan, Arche Noah: Tel +43 (0) 676 557 4408, katherine.dolan@arche-noah.at Christoph Then, Sprecher 'Keine Patente auf Saatgut!', Tel +49 (0) 151 54638040, info@no-patents-on-seeds.org Weiter Informationen: Die Abstimmungsvorlage für die Sitzung des Verwaltungsrats: http://no-patents-on-seeds.org/en/information/background/proposal-admin… Der Kommentar von „Keine Patente auf Saatgut!“: http://no-patents-on-seeds.org/en/information/background/annex-letter-m…

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