München, 8. November 2011 / Patent auf Tomate wird zur Grundsatzentscheidung Kritiker fordern bessere Kontrolle des Patentamtes München. Das Europäische Patentamt in München hat heute entschieden, das Patent auf Tomaten (EP1211926) der Großen Beschwerdekammer zur Entscheidung vorzulegen. Damit folgte es überraschend den Forderungen der Kritiker, die Patente auf Pflanzen und Tiere grundsätzlich in Frage stellen. Die Grosse Beschwerdekammer ist die höchste, interne Instanz des EPA und wird darüber entscheiden zu haben, ob Pflanzen (und Tiere), die aus traditioneller Züchtung stammen, grundsätzlich patentiert werden können, oder nicht. Bislang hat das Patentamt bereits um die 100 Patente auf traditionell gezüchtete Tiere und Pflanzen erteilt. Diese Praxis ist nun in Frage gestellt. Züchter, Bauern, Umweltaktivisten und Verbraucherorganisationen, aber auch die Deutsche Bundesregierung hatten gefordert, derartige Patente zu stoppen. Vertreter des internationalen Bündnisses „Keine Patente auf Saatgut!“ warnen jedoch davor, die heutige Entscheidung schon als Lösung der Probleme anzusehen: „Das Europäische Patentamt hat heute die Notbremse gezogen, um seinem Ansehen nicht weiter zu schaden. Damit reagiert das EPA auf den öffentlichen Widerstand gegen die Patentierung von Pflanzen, Tieren und Lebensmitteln. Die massiven Proteste von Umwelt- und Landwirtschaftsorganisationen, Verbraucherschützern und Kirchen zeigen Wirkung. Trotzdem kann die Öffentlichkeit diesem Amt nicht vertrauen. Hundert weitere Patentanträge auf Pflanzen, Tiere und Lebensmittel wie Gurken, Brot, Nudeln und Bier liegen dem EPA vor. Damit es nicht länger reine Klientelpolitik betreibt, muss das EPA in Zukunft durch unabhängige Gerichte und die Politik kontrolliert werden“, sagt Christoph Then, Patentberater für Greenpeace und Sprecher des Bündnisses „Keine Patente auf Saatgut!“. Das Patent (EP1211926) betrifft Saatgut, Pflanzen und Tomaten aus traditioneller Züchtung. Dazu wurden Pflanzen aus der Ursprungsregion der Tomaten mit handelsüblichen Sorten gekreuzt. Im Ergebnis haben die Tomaten einen reduzierten Wassergehalt. Dadurch eignen sie sich besonders gut für Produkte wie Ketchup. Das Patent war dem Ministerium für Landwirtschaft in Israel gewährt worden. Der Konzern Unilever hatte aus eigenen wirtschaftlichen Interessen Einspruch dagegen eingelegt. Bereits im Dezember 2010 entschied die Große Beschwerdekammer des EPA in einer Grundsatzentscheidung, dass Verfahren zur traditionellen Züchtung nicht patentierbar sind. Ein ausdrückliches Verbot von Patenten auf Produkte, die mithilfe dieser Verfahren hergestellt werden, gab es allerdings nicht. Dies kann nun durch einen Spruch der Grossen Beschwerdekammer erfolgen. Konzerne wie Monsanto, Dupont, Bayer und Syngenta sind die Hauptprofiteure dieser Patente auf Pflanzen. Kritiker befürchten, dass Verbraucher, Landwirte und Lebensmittelhersteller in neue Abhängigkeiten von diesen Konzernen geraten. Landwirte und Verbraucher in den Entwicklungsländern und in Europa sind davon gleichermaßen betroffen. Gegen Patente auf Pflanzen und Tiere hat sich in den letzten Jahren das internationale Bündnis „No Patents on Seeds“ gegründet, dem u.a. Greenpeace, Kein Patent auf Leben! und Misereor angehören. Informationen finden Sie unter: www.no-patents-on-seeds.org Rückfragen an: Christoph Then, Tel 0151 54638040